"Was soll aus uns einmal werden?"

Heute vor Allerheiligen kam mir wieder einmal die kleine Geschichte vom Kirschkern in den Sinn:

Stellen Sie sich kleine Kirschkerne vor, die unter einem großen Kirschbaum dicht beieinander im Gras liegen. Plötzlich beginnt einer von ihnen zu reden und fragt die anderen: „Was soll aus uns eigentlich mal werden?“ Für kurze Zeit herrscht betretenes Schweigen am Boden. Doch dann richtet einer von ihnen seinen Blick nach oben; sieht den großen Kirschbaum und sagt: „Da, schaut, einer von uns.“

"Schleier der Ewigkeit"

Wir feiern Allerheiligen. Ein Fest, das Himmel und Erde verbindet; an dem sich für einen Sehnsuchtsaugenblick lang der Schleier der Ewigkeit lüftet. Wie eine innere Musik, die wir brauchen, um unser Leben tragen, manchmal ertragen zu können. Um vor Gott zum Baum zu reifen, uns nach ihm auszustrecken, in ihn hineinzuwachsen: das Ziel unseres Lebens!

Gerade in einer Zeit des Jahres, wo vieles abstirbt - im Jahr 2020, da vieles verrückt. Wo wir selbst neu mit unserer Endlichkeit konfrontiert sind. Da erinnert uns Allerheiligen an unsere Hoffnung: an das Reich Gottes, das für den eigentlichen Sinn, die Tiefe und Schönheit des Lebens steht; die nur durch, mit und in Christus zu finden ist:

„Herr, wie ein Baum, so sei vor Dir mein Leben.“

Nicht wie ein Blatt im Wind. Mehr als stinknormal. Nicht wie Originale geboren und dann als lauter Kopien geendet! Nein! In Christus geboren; immer mehr Seine Originale zu werden! Nicht Abziehbilder von irgendetwas oder irgendwem. Und, ebenso unverwechselbar, einzigartig, sollen wir alle Menschen sehen, sehen lernen; gleichzeitig all das, was in ihm oder ihr heiligmäßig stecken kann.

Herr, wie ein Baum...

Lassen wir den Geist wirken, was er in uns hinein gelegt hat: die Anlage zum Heiligen - zum Baum! Das heißt nicht: Verzicht, weniger Abenteuer, Sich-ausprobieren oder Freiheit. Vielmehr zusätzliche Freiheit und Geborgenheit, die Gott jedem Leben schenkt, wenn wir uns auf Ihn einlassen. - Christus allein macht den Unterschied; einen Himmelweiten im übrigen!

Darum sind wir auch eingeladen: die Verdienste aller Heiligen zu feiern, das, was sie, die Heiligen aller Zeiten miteinander verbindet. Dass sie sich von Jesus haben berühren lassen; die Welt mit seinen, Gottes Augen geschaut und so die Seligpreisungen zum Maßstab, zur Charta für ihr Leben gemacht haben. Als Menschen, die sich auf die Frohe Botschaft einlassen und ihr mit den je eigenen Möglichkeiten Gestalt geben. Keine bloße Traumwelt - ein Erntedankfest des Himmels!

Das hat alle Heiligen jeder Zeit zu jenen Taten/Entscheidungen motiviert, auf die auch wir, wenn wir ihr Leben betrachten, gerne mit Bewunderung - manchmal verwundert, schauen. Doch dann wieder, mit großem Staunen! Und das schließt all die stillen, unbekannten, vergessenen Menschen ein, die Glauben Gestalt gegeben haben und bei Gott zur Vollendung gelangt sind. Sie sind die große Schar aller Nationen, Stämme und Völker, von denen Joh in der Offb. sagt, dass niemand sie zählen konnte.

Allerheiligen

"Oh when the saints go marching in" - wenn die Heiligen einmarschieren, dann wollen wir dabei sein. Ihre große Zahl zeigt, wie vielfältig Nachfolge aussehen kann; wie vielfältig daher auch Heiligkeit gelebt, erkennbar und spürbar werden kann.

Für den kleinen Kirschkern ist der Baum sicher ein hohes Ziel; und doch steckt im Kern die Möglichkeit, ein Baum zu werden. Daher abschließend noch einmal mit Worten von Lothar Zenetti:

 

Herr, wie ein Baum,
so sei vor Dir mein Leben.

Gib Wurzeln mir, die in die Erde reichen,
Gib mir die Kraft, zum festen Stamm zu wachsen, dass aufrecht ich an meinem Platze stehe; und wanke nicht, auch wenn die Stürme toben.

Gib, dass aus mir, sich Äste frei erheben,
Lass sie erstarken und ihre Zweige recken, in den Himmel.

Gib Zukunft mir, und lass die Blätter grünen; und nach den Wintern, Hoffnung neu erblühen. Und wenn es Zeit ist, lass mich Früchte tragen.

Herr, wie ein Baum,
so sei vor Dir mein Leben.

 

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