Ein einzigartiges Bibelgespräch
Die Emmaus-Geschichte (Lk 24)
Die Osterbotschaft - also: wie Jesus von uns geht und dennoch bleibt - vermittelt die Bibel ja in mindestens zwei Formen: zum einen als Bekenntnis oder aber erzählerisch. In letzter Weise ist dabei die Emmausgeschichte - wahrscheinlich nicht nur für mich - wiederum die Höchstform biblischer Erzählkunst!
Denn, was uns zunächst sprachlos lässt, macht sie: sprachfähig - nämlich den Osterglauben! Der kommt natürlich wesentlich vom Hören. Doch was bliebe er, ohne ebenso das Sprechen über ihn. - Er bliebe, was er heute leider manchmal ist: wortlos - individualisiert. Menschliches Denken - verselbständigt.
Dabei ist das Leben doch geradezu ein vielmehr gemeinsames "religiöses Experiment"! Tomáš Halík hat einmal gesagt: „Der Glaube, wie ich ihn verstehe, ist die Fähigkeit, die Wirklichkeit als Anrede wahrzunehmen: Er ist die Bemühung zuzuhören, verstehen zu lernen und Antwort zu geben.“ - Besser kann man die Emmausgeschichte nicht auf den Punkt bringen!
Für mich persönlich ist Emmaus eng verbunden mit der Diakonenweihe - einerseits: "Ich will Dir folgen, wohin Du auch gehst" (Lk 9,57), so lautete im November 2019 unser Weihespruch. Zuvorderst aber, ist Emmaus für mich das, was es ganz einfach ist: ein einzigartiges Bibelgespräch!
Lk-Erzählkunst führt ins Gespräch: mit sich selbst; untereinander, mit Gott! - Menschen stehen auf - machen sich auf. Suchen. Gemeinsamer Glaubensweg. - Wo und wie oft findet sich das heute noch...?!
Machen wir uns zunächst den Kontext von Emmaus noch einmal bewußt: Die Geschichte handelt zwischen den Zeiten. Sie ist daher eine bewegliche, auch uns bewegende Geschichte - in eigenartiger Atmosphäre: Zwei Menschen gehen nach Jesu Kreuzigung enttäuscht nach Hause zurück. - Dieser Weg ist beschwerlich und nicht so einfach hinter sich zu bringen…
Wie soll man auch mal eben so nach hinten bringen, was man sich für die Zukunft erhofft hat? - Wirklich beschwerliche Arbeit: den Weg zurück wählen. Das schließt Abschied und Loslassen ein. Doch da beginnt: das Bibelgespräch!
Denn, sie gehen die beiden Emmausjünger, und bleiben dabei im Gespräch. Halten nochmal fest und zusammen, was ihre Hoffnung war. Ein Rück-Weg also. - Aber auch ein Trauerspiel - obendrein...
Doch Jesus naht sich ihnen. Geht mit, spürt mit, begleitet sie, lange bevor er erkannt werden kann. Das ist das eigentlich Schöne und Schönmachende an dieser Geschichte: dass Jesus nicht plötzlich da ist, und verschwindet, sondern Zeit hat - mitzugehen. Wirklich da zu sein, anzukommen.
Was die beiden hinter sich bringen wollen, wird auf mal nach vorne gekehrt. Was vergehen und vergangen sein soll, wird wieder lebendig. Und der eine, Kleopas, kann plötzlich nicht mal aufhören zu reden - er überschlägt sich geradezu mit Worten. Findet das Verlorene wieder - dazu seine Sprache und Leidenschaft. - Als wär’s wie im Märchen - und die Zeit bleibt stehen.
1.Schritt der Auferstehung: wieder belebte Hoffnung! Unzweifelhaft haben sich beide verändert. Doch nun muss Jesus diesen traurig hoffenden Jüngern auch noch den Boden geben, den sie brauchen. Hoffnung will eingepflanzt werden: in Erfahrung. 2. Schritt!
Also fängt er selbst an zu reden - aus der Schrift zu erzählen. Ein Buch, das Gott und Mensch zusammenhält! Eine unendliche Geschichte. - Der Auferstandene - er ist nicht wirklich weg. Er wird niemals fremd. Sondern bleibt nah und menschlich. Hat Zeit und Töne...
Als die beiden ihr eigentliches Ziel erreichen, nötigen sie Jesus zu bleiben: „Herr, bleib bei uns, denn es will Abend werden." - Bleiben soll der Fremde, der da mit geht. Bleiben soll der Auferstandene, bei uns Menschen, und nicht fortgehen. Bleiben soll der unbekannte Begleiter, damit auch die beiden wirklich bei sich bleiben können, und nicht zurück fallen…
Und Jesus bleibt! Und seine Nähe wird sogar ganz handgreiflich erfahrbar. Jesus, der Gast, wird nun zum angenehmen Hausherrn - macht klar, was geschah und geschehen ist, auf dem Weg. Macht es klar, indem er gibt und austeilt. Sich selbst, und dazu: die geöffnete Schrift als Grund und Boden glückenden Lebens. - „Da wurden ihnen die Augen geöffnet!“
Und erst jetzt, da sie ihn erkannten, kann der, der sich selber gibt und gegeben hat, nun auch gehen. Ist doch sein Weggang ebenso sein Bleiben. - Niemand fällt da mehr zurück. Die beiden Jünger sind angekommen. Sie haben gefunden, was sie suchten: einen Tisch mit Brot und Wein - und die Schrift!
Wie schön wäre es, wenn auch wir uns untereinander - häufiger noch - die Bibel, in dieser Weise gemeinsam erschließen würden. Wenn wir - egal ob regelmäßig oder unregelmäßig - über unseren Glauben im Gespräch blieben. Wer mag, spreche mich gerne an, oder melde sich im Pfarrbüro. Ein erster Termin für ein Bibelgespräch ist schnell gefunden. Sobald Corona es wieder zulässt.
Wir setzen nun, auf Ostern und den Ostertag hin - den Tag, der keinen Abend kennt, unseren Alltag fort. In Zeiten von Corona und darüber hinaus. Das ist Emmaus! Auf dem Weg sein und bleiben. Suchend, fragend, offen für Begegnung. Offen für das Neue: für Leben aus dem Tod! (BS)