Christliche Lebenskunst und Weisheit nach Hiob
Geschlagene 7 Tage und Nächte harrten Hiobs Freunde schweigend beim Freund aus; der in die misslichste aller Lagen geraten war. Die Seuche hatte ihn voll erwischt!
Damals: Aussatz. Das bedeutete lebenslange Quarantäne; außerhalb der Stadt. Mitten im Elend, und angesichts größten Leids, geht es um die Frage aller Fragen: Wo ist Gott? Wo mein Vater?
Doch im Buch Hiob geht es nicht nur um Leid und Mitgefühl. Es geht um Wahrheit. Um Weisheit und Erkenntnis. In Not und Leid kann sich Menschen eine tiefere Dimension der Wirklichkeit erschließen. Als dass wir nur Warum-Fragen durchmachten. Wie Hiob in seinem Unglück, wie Jesus in Gethsemane, oder, ja, wie auch wir, angesichts von Corona, Krieg, Leid und Terror in der Welt heute.
Und die Warum-Fragen finden Antwort; wie bei Hiob. Doch sie werden nicht erklärt; gar ruhiggestellt. Vielmehr wird völlig neu glaubhaft, wer wirklich schöpfungswahrende Kraft ist: Gott selbst! - Wir, sind nicht Herren der Welt; sondern der alles nehmende, anderseits alles schenkende Gott!
Gott nahm für Hiob zunächst die Rolle eines Feindes ein; seine Freunde die Rolle "eines rettenden Gottes". Doch sie wurden ihrer Rolle nicht gerecht! Wie auch…?! - Und in dieser Ausweglosigkeit wirft Hiob daher seine ganze Hoffnung auf eine "dritte göttliche Gestalt": „Ich weiß, mein Erlöser lebt. - Ohne meine Haut, die so zerfetzte, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen.“
Diese Worte aus Kap.19 gehören wohl zu den bekanntesten des Hiobbuches. Nach Hieronymus hat niemand vor Christus selbst so deutlich von der leiblichen Auferstehung gesprochen. Doch wer ist dieser Dritte, der (Er)Löser? Und was erwartet Hiob von ihm?
Hier sind wir nun beim Kern des Festes Allerseelen. Vor dem Hintergrund alttestamentlicher Klagegebete sind Hiobs Worte nämlich als Vertrauensbekenntnis zu verstehen; als Ausdruck innerer Gewissheit und Vertrauen auf Gott; aus tiefster Not! Dass Leid und Verfolgung, selbst der Tod eben nicht das Letzte Sagen haben! „Gott erhebt sich als Letzter über dem Staub!"
Das sind starke Worte! Und dieses Wissen eines Menschen vor etwa 2500 Jahren, geht am Ende - wie auch wir wissen und bekennen - tatsächlich in Erfüllung! Und das ist ebenso Botschaft von Allerseelen: unser Trost, unsere Rettung hat einen Namen. Durch ihn, mit ihm, in ihm werden wir Gott schauen! - Er, Jesus Christus, ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Gott zu schauen - noch vor dem Tod; zumal vor Wiedererlangung von Gesundheit und Lebenskraft, in einer Wahrnehmungsform, die noch die Ebene des Leids durchbricht, das ist die Lösung, die auch das Buch Hiob anzubieten hat. Und zugleich wohl die Provokation, die das für uns enthält: Wir sind geboren um zu leben. Leben wird stets gewandelt; nie genommen! Das mag unserer äußeren Realität oft nicht entsprechen. Und doch: im Glauben, stoßen wir bereits an diese andere Dimension heran.
Was sich bei Hiob ändert ist sein Bewußtseinszustand, nicht sein äußerer Zustand. Wichtig dabei: nach biblischem Verständnis ist dieser gewandelte, erweiterte Bewußtseinszustand keine Einbildung, keine psychopathologische Erscheinung. Sondern tiefere Form der Wahrnehmung. Was dort geschaut werden kann, und wird; wer dort geschaut wird, ist bereits jetzt Wirklichkeit: Gott der Erlöser!
Das ist christliche Lebenskunst und Weisheit! Das tiefste Glaubensgeheimnis, das wir in jeder Eucharistie feiern: Der gekreuzigt Auferstandene verwandelt Tod in Leben!
Als Händel daran ging, genau das zu vertonen, konnte er nichts Besseres tun, als für seinen Messias sein berühmtes Halleluja, den Jubelruf der erlösten Kirche zu schaffen! Mit diesem Halleluja gelang Händel wahrhaft ein Danklied Aller-Seelen: Halleluja - Gelobt sei Jesus Christus! In Ewigkeit. Amen.