"Belehrte Unwissenheit und Schauende Vernunft"
Am gestrigen Tag ließ mich der Bericht über eine Predigt des Mainzer Bischofs Kohlgraf am vergangenen Samstag, aus Anlass der Priesterweihe eines Karmeliten im Mainzer Dom, aufhorchen.
Und ausgehend von einem berühmten Rahner-Zitat, das Bischof Kohlgraf in den Mittelpunkt seiner Predigtgedanken stellte, kamen mir seine Worte heute wiederum in Verbindung mit dem großen Nikolaus von Kues (1401-1464) und seiner »de docta ignorantia« in den Sinn. Erster Philosoph der Renaissance und des Humanismus.
Am 11.08. fällt sein Gedenktag immer mit dem Fest der Hl. Klara zusammen. Cusanus' Hauptwerk "Über die belehrte Unwissenheit" markiert ebenso wie das Leben der Weggefährtin des Franz von Assisi etwa 200 Jahre früher einen entscheidenden Perspektivwechsel, Wandel oder gar Epochenbruch.
In vielerlei Hinsicht verweisen beide - mal mehr praktisch, mal mehr kognitiv - auf eine stete Weiterentwicklung des Zeitgeistes und des Glaubens - aus Tradition heraus, aber vor allem immer noch darüber hinaus! - Und immer geht es um die Wahrnehmung der Wirklichkeit. In der im übrigen Wissen stets hinter dem zurück bleibt, was gewusst werden kann. Auch im 21. Jahrhundert noch!
Bereits vor Kopernikus bestreitet somit auch Cusanus, dass die Erde (und der Mensch!) Mittelpunkt des Universums seien. Und wagt den kühnen Gedanken von der Unendlichkeit der Welt. Womit er Raum für eine »schauende Vernunft« öffnet. Abseits bloßen Wissens, oftmals eher Nicht-Wissen, oder institutionellem Wissen. In jedem Fall aber fern von modernen Verschwörungstheorien. Am Ende steht immer die Frage nach Glaubenserfahrungen in jeweiliger Zeit.
Womit sich für mich dann auch der Kreis zu Bischof Kohlgraf am vergangenen Wochenende schließt, als er frei nach Karl Rahner ausführte: "Jemand muss Erfahrungen im Glauben machen, erfahren, wie schön es sein kann, an Gott zu glauben, wie gut es ist, zu einer Glaubensgemeinschaft zu gehören... wenn Christentum nur noch Institution ist, ein Sammelbecken großartiger Theorien, dann bleibt es nicht aus, dass Menschen der Kirche und dem Christentum den Rücken kehren."
In seiner Predigt macht Bischof Kohlgraf dergestalt deutlich, das christliches Leben „die Einladung zu einem täglichen Eintauchen“ in die Zusagen Jesu an uns alle - alle Getauften, ist.
Aus dieser „Freundschaft und Liebe, dem Leben in Fülle, der Erwählung und Erfahrung, dass der Herr sich für mich, für uns hingegeben hat“ folgt sodann der Versuch, eine persönliche Antwort zu geben. - Mich hat das einmal mehr sehr nachdenklich gemacht und angesprochen.
Auch meine Mitbrüder und ich werden im September als Priesterkandidaten des Bistums Trier dazu unsere Antwort geben. Doch diese muss anschließend täglich neu versucht und bewährt werden. Und dem soll weiterhin mein Bemühen gelten.
Ich denke, das wird mal besser und mal mühsamer gehen. Aber genau diese Freundschaft und Antwort trägt mich und hat mich bis hierhin getragen. (BS)